Deutschland 2009

Die flache Landschaft zwischen Berlin und Elbe ist mit einem dichten Netz von Wasserwegen durchzogen: Kanäle, Seen, schiffbare Flüsse. Sie bieten unerschöpfliche Möglichkeiten zum Ankern in Marinen oder auch in freier Natur. Wir haben uns entschlossen, von unserem Ausgangspunkt in Brandenburg aus hauptsächlich den Teil der Flüsse Elbe und Havel kennen zu lernen, und wir haben dies keineswegs bereut.

 

Montag: Der Elbe-Havel-Kanal am Nachmittag

Von der Marina Schoners Wehr sind wir erst um vier Uhr Nachmittag abgefahren. Die Übergabe des Bootes verlief sehr entgegenkommend und das Boot war gut vorbereitet. Am meisten jedoch erfreute uns die günstige Wettervorhersage für die kommende Woche. Unmittelbar nach der Ausfahrt aus dem seitlichen Flussarm der Havel erwartete uns die erste große Schleuse Brandenburg. Wir konnten gleich die „Tätigkeiten einüben“, die zur Durchfahrt von Schleusen in diesem Gebiet erforderlich sind. Etwa 50 m vor jeder Schleuse befindet sich eine Anlegestelle für Sportboote mit „Haustelefon“ zur Kammer, durch das die Besatzung mit der Bedienung den Termin der Durchfahrt abmacht. Obwohl wir nur etwa 12 km die Havel und 18 km den Elbe-Havel-Kanal entlang geplant hatten, verursachte die Durchfahrt weiterer zweier Schleusen doch, dass wir in den neuen Sportboothafen Gentin erst nach acht Uhr abends hungrig anlangten.

Dienstag: Die Elbe-Wendelrutsche

Den Elbe-Havel-Kanal fuhren wir noch 12 km entlang. Dieser ist nach der unlängsten Fertigstellung des Riesenaquäduktes über die Elbe bei Magdeburg eine frequentierte Verbindung zwischen Berlin und dem Mittellandkanal. Am 351. Flusskilometer befindet sich eine kurze Kanalabbiegung in die Elbe. Dort ließ uns die Schleuse Parey auf den flink fließenden Fluss herunter. Zunächst musste ich einem etwa einhundertfünfzig Meter langen Frachter die Vorfahrt geben, aber dann nahmen wir schon eine Geschwindigkeit von 20 km/h auf – 6 km Flussstrom und 14 km Schiffsmotor.
Die hiesige Elbe weist einen ganz anderen Charakter als z.B. die uns gut bekannte Elbe bei Kolin auf. Ihr schneller Strom ist auf den ersten Blick sichtbar, der Fluss ergießt sich häufig in seitliche Lagunen. Die Ufer sind flach, die umliegenden Wiesen und Weiden gehen bis ins Wasser über, der Wasserstrom ist durch Hunderte Gras- oder Schuttausläufer in die Fahrrinne konzentriert. Die Fahrrinne verläuft nicht im gesamten Flussprofil, sie ist relativ schmal und mit Bojen abgesteckt. Vor allem Güterschiffe mit größerem Tiefgang müssen die Fahrrinne nach dem Prinzip – Naufahrt: „grün zu rot“ und „rot zu grün“ konsequent und genau einhalten. Nach 18 km Flusswendelrutsche legten wir in Tangermünde an. Die schöne Marina befindet sich am Ende eines ehemaligen Güterhafens, voll ausgestattet, mit der Kulisse der historischen Stadtmauern.

Mittwoch: Von der Elbe in die romantische Havel

Heute beenden wir die Elbfahrt, etwa 35 km bis zum 423. Flusskilometer, wo wir über einen kurzen Kanal durch die Schleuse Havelberg in die Havel gelangen. Die Elbe fließt genauso schnell wie gestern und wir begegnen häufiger Güterschiffen sowie einem Personenschiff. Hier ist es angebracht, auf eine kleinere Elb-Beschwernis aufmerksam zu machen, und zwar auf die Flusspendelfähren. Sie sind an einem etwa 200 m langen Seil angehängt, das mitten im Fluss verankert ist und sich an gelben Pontons befestigt zur Fähre zieht. Gewöhnlich kann sie nur von einer Seite her umschifft werden, und zwar wenn sich die Fähre in ihrer Ausgangsposition befindet. Sofern sie gerade bei der Überfahrt ist, sperrt sie die Fahrrinne ab. Und wenn sich kein Funkgerät an Bord befindet, ist es schwer, im Voraus zu ermitteln, wo sich die Fähre befindet. Es ist am besten, hinter einem größeren Boot herzufahren, das mit einem Funkgerät ausgestattet ist.
Die Untere Havel überraschte uns mit ihrer romantischen Schönheit. Als wäre sie gar kein schiffbarer Fluss. In der flachen Landschaft ergießt sie sich in umfangreiche und unregelmäßige Schlingen, bildet zahlreiche Uferfeuchtgebiete und unabsehbare Schilfflächen. Es gibt ständig etwas zu beobachten: die am Ufer stehende „Statue“ eines Reihers, umherfliegende Kormorane, um das Boot herum bettelnde Schwäne, zahlreiche Entenfamilien beim ersten Schwimmunterricht. Zur Nacht ankerten wir in der Dorfmarina in Strodehne in einem seitlichen Flussarm der Havel.

Donnerstag: Die Havel und ihre Schleusen

Wir wachen in langsam zergehenden Nebel auf und bewegen uns dann den ganzen Tag die Untere Havel entlang vorwärts. Von der Landschaft her ist die Fahrt auch weiterhin sehr interessant, der Fluss ist verlassen, nur sehr selten begegnen wir anderen Booten. Zunächst steuern wir auf Rathenow zu, wo der Fluss mehrere schiffbare Arme bildet. Durch die Stadt kann man auf zweierlei Art und Weise fahren: durch eine kleine Stadtschleuse, die allerdings erst ab Mai in Betrieb ist, oder durch eine große Schleuse am Rande der Stadt.
An diesem Abschnitt der Unteren Havel befinden sich etwa sechs Schleusen, die schon so manches gesehen haben. Für den heutigen Güterbetrieb, der sozusagen gleich Null ist, sind sie beinahe unverhältnismäßig groß und weisen eine Besonderheit auf, die sie für Sportboote etwas „schwierig“ machen: die Seitenwände sind schräg, aus heute bereits ziemlich verwittertem Ziegelmauerwerk erbaut. Bei der Bergfahrt macht das nichts aus, aber bei der Talfahrt droht das Aufsitzen auf die Seitenwand. Wir übernachten in Bahnitz, nach 50 km Fahrt, in einer kleinen Dorfanlegestelle. Der Ort bietet wunderbare abendliche Spaziergänge in die Umgebung, die Bestandteil des Naturparks Westhavelland ist.

Freitag: Erster Mai auf dem Wasser

Ein Stück hinter Bahnitz bildet die Havel kleinere zusammenhängende Seen, bis sie uns zum großen Plauer See bei Brandenburg führt. Dort schlossen wir uns in der Gegenrichtung an die Strecke an, die wir am Montag entlang gefahren waren, und der Elbe-Havel-Kreis wurde somit geschlossen. Vor uns lagen aber noch zwei Tage Fahrt und so steuerten wir die Richtung Potsdam an. Wir winkten unserer Muttermarina Schoners Wehr zu und setzten die Fahrt gegen den Flussstrom fort. Auf dem Wasserweg erhöhte sich deutlich der Betrieb von Motorjachten, ein klarer Beweis dafür, dass das durch den ersten Mai verlängerte Wochenende die Berliner Schiffer aufs Wasser gelockt hat.
Zur nächtlichen Ankerung fanden wir die schöne „forstliche“ Fichtner Marina in Deetz. Sie wurde aus einem alten Güterhafen, der im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert zur Verladung von Ziegeln aus vielen umliegenden Ziegeleien diente, gefühlvoll umgebaut. Von den Ziegeleien gibt es heute keine Spur mehr, aber der Lehrpfad rund um die überfluteten Brüche, die von der geförderten Ziegelerde hinterblieben sind, ist ganz interessant.

Samstag: In Potsdam waren wir schon

Aus der Fichtner Marina waren es bis Potsdam bloße 35 km. Die Strecke die Potsdamer Havel entlang drängt allerdings nicht zur Eile. Sie führt größtenteils die Potsdamer Seen entlang, warum sollte man also bei angenehmem Wetter und in schöner Landschaft in Eile sein?
Unter dem Eindruck dieses verlängerten Wochenendes hegten wir Befürchtungen, dass alle Plätze in den Marinen am Abend besetzt sein werden, das Gegenteil war jedoch der Fall. Der Nachmittag habe ich es „begriffen“. Alle schönen und ruhigen Buchten außerhalb des Hauptwasserweges boten den ankernden Booten Zuflucht. Ihre Besatzungen widmeten sich angenehmen Tätigkeiten: Baden, Angeln, Grillen an Bord oder nur Faulenzen an der Nachmittagssonne. Die Marina in Potsdam, die wir bereits vor sieben Jahren aufgesucht hatten, war tatsächlich leer. An diesem Tag machten wir uns noch zur Besichtigung eines weltbekannten Denkmals – Schloss Cecilienhof – auf.

Sonntag: Zurück nach Brandenburg und nach Hause

Vom letzten Tag berichtet es sich immer schlecht – wieder geht eine gelungene Fahrt zu Ende. Wir umschifften Potsdam unter der Glienicker Brücke – der berüchtigten „Spionenbrücke“ – durch und steuerten über den Jungfernsee und den Sacrow-Paretzer Kanal auf Brandenburg zu. Auf den frei geankerten Booten wachten gerade die Besatzungen auf und die Abgehärtesten darunter nahmen durch ein Bad in den Seen ihre Morgenhygiene vor. Später nach dem Mittagessen begegneten wir anderen Booten auf dem Rückweg in die heimatlichen Marinen, die sich am ehesten erst in Berlin befanden. Und dann ging es schon Schlag auf Schlag, um zwei Uhr waren wir in der Marina, bis vier Uhr war das Boot übergeben und dann machten wir uns auch schon mit dem Auto auf den Heimweg auf.


 

Mai 2009

Charter: www.schoners-wehr.de