Kanada 2009

Kanäle unter dem Ahornblatt

Wenn klasisches „canalboating“ in Kanada, so auf den Wasserwegen Trent – Severn und Rideau in Provinz Ontario. Beide Wasserwege bieten wirklich aussergewöhnliche Schiffs- und Naturerlebnisse an, noch mit ihnen historischen Wert potenzieren.

 

Wasserweg Trent – Severn

Gleich der nächste Tag nach unserer Ankunft in Toronto machten wir einen Rutsch an den Wasserweg Trent – Severn. Schon die Fahrt in die Marine stellte eine leckere Kostprobe der herrlichen kanadischen Landschaft dar.

 

Die erste Nacht ankerten wir bei der Anlegestelle der Schleuse Fenelon Falls. Wir lernten schon einige Seen und die Schleuse in Bobcaygeon kennen und jetzt machten wir uns mit unserem vermieteten Hausboot vertraut. Da die sechs Stunden der Zeitverschiebung sich aber zum Worte meldeten, gingen wir mit den kanadischen Hühnern zu Bett und deshalb waren wir auch recht früh auf den Beinen. Schon vor Sechs tranken wir unseres Kaffee und warteten in aller Seelenruhe auf die Öffnung des Schleusenbetriebs. Wir promenieren entlang dem Ufer und beobachteten die Vorbereitungsarbeiten der Mannschaft – einschließlich des Hissens der Kanadas Flagge neben der Schleuse. Punkt um Neun war alles fertig – und zwar trotzdem, dass die Schleuse handbedient war. Wir könnten uns noch mehrmals überzeugen, dass es für die Kerle recht penible Arbeit ist.

Das Hausboot „Sundandce“ nahmen wir am Samstagnachmittag über. Das 31 foot lange „Wasserfahrzeug“ wurde mit einem Innenbordmotor ausgerüstet und vollständig für die Fahrt und Leben auf dem Wasser ausgestattet. Wir vermieteten es in der Marina Kawartha Lake in der Bucht des Lake Pigeon bei der Stadt Bobcaygeon. Offen gestanden, mir würde lieber eine Motorjacht schiffen, jedoch im Angebot der Charter-Firmen wurde keine solche zur Verfügung. Schließlich und endlich, wir sind hier nicht wegen der Prüfung der Schiffe, sondern wegen dem Trent-Severn-Kanal. Und dazu ist auch dieses Hauseboat mit seiner Reisegeschwindigkeit von 14 km/h gut genug.

Wasserweg Trent-Severn (Karte) wurde in den Jahren 1820-1920 als zuverlässige Verkehrsverbindung zwischen Lake Ontario und Lake Huron errichtet. Die Wasserstraße beginnt in der Stadt Trenton am Ufer des Lake Ontario und nach etwa 390 km mündet bei Port Severn in Georgian Bay des Lake Huron. Ca. 50 km davon bilden die künstlichen Kanäle, den Rest bildet die ausgetonnete Fahrrinne durch einige Zehnern von größeren und kleineren Seen. Der höchste Kanalpunkt liegt am Lake Balsam: er liegt um 182 m höher als Ontario, zum Lake Huron sinkt dann die Strecke um 80 m. Die Schiffe überwinden diese Höhenunterschiede mit Hilfe von 42 klassischen Schleusen, zwei einzigartigen hydraulischen Schiffshebewerken und einer „Trockenstreckehebewerk“. Die Schiffsanlagen sind meistens 24 – 47 m lang, 7,7 – 10 m breit, die Schiffbarkeit beträgt 1,9 – 2,9 m.

Zwei Tage lang schifften wir nach Westen von Bobcaygeon und über das Schiffshebewerk Kirkfield kamen wir bis zum größten See auf dieser Strecke – Lake Simcoe. Seine Größe und wiederholte starke Winde berechtigen den Warnschild vor der Einfahrt: „Lake Simcoe kann gefährlich sein, beachte Wettervorhersage!“. Das störte uns aber nicht, ohnedies wollten wir nicht weiter fahren. Die interessanteste Hochstrecke des Wasserwegs haben wir hinter uns. Wir warfen das Steuer herum und machten uns auf den Heimweg. Jetzt konnten wir noch besser Augen in die Hand nehmen und die Freude an die unübersehbaren Wasserflächen, kurze Kanalabschnitte, Ufer mit den im abwechslungsreichen Grün versteckten Hütten und Weekendhäusern auskosten. Vor uns öffneten sich nach und nach die Lakes Mitschell, Canal, Balsam, Sturgeon, Pigeon und viele andere. Die Besatzungen der Schleusen begrüßten uns als geehrte Gäste – im Juni haben sie nicht viel zu tun. Das launenhafte, dem April ähnliche Wetter härtete unsere neuen Bootsmanneigenschaften ab und entdeckte uns weitere Schlupfwinkel des Wasserwegs. In die Marine Kawartha Lake kehrten wir nach vier Tagen zurück. Für die restlichen zwei Tage hatten wir die Schifffahrt nach Osten vor.

Am Anfang des fallenden Abschnitts der Wasserstrecke zu Georgian Bay, auf dem Kilometer 272, wurde in den Jahren 1900 – 1907 das hydraulische Schiffshebewerk Kirkfeld erbaut. Zu dieser Zeit war schon auf dem „anderen“ Ende der Wasserstraße das Schiffshebewerk Peterborough im Betrieb, das mit der Hubhöhe von 19,5 m das größte hydraulische Schiffshebewerk weltweit war und noch heute ist. Kirkfield wurde zum Bestandteil des bautechnisch sehr komplizierten Kanalabschnitts im Tal des Flusses Talbot und die ganze Wasserweg konnte deshalb erst nach dessen Ausbau in Betrieb genommen werden.
Das Schiffshebewerk Kirkfeld hat zwei Wasserkammern ca. 42 x 10 x 2,4 m, die untereinander durch das hydraulische System verbunden sind. Der Transport eines Schiffes unten oder oben dauert – einschl. des Ein- und Auslaufs – bloß 10 Minuten.

Der Wasserweg zum Osten ist ein Bestandteil des fallenden Kanalabschnitts zum Lake Ontario. Für diese zwei Tage hatten wir in der Tat kein festes Ziel, wir wollten nur so die Wassergegend durchkreuzen. Trotzdem gelangten wir nach der Passage einiger Seen und der Schleuse Buckorn zur Schleuse Lovesick, die eine kurze Stromschnelle zwischen den wunderschönen Seen überquert, die mit vielen kleinen Inseln, Felsen und Schifffahrtsengen ausgeprägt sind. Nach einem längeren „Navigationsübung mit GPS“ gelang es uns, auf dem abgelegen Seeufer das Indianerschutzgebiet Ojibwa aufzufinden und zu besuchen.
Der letzte Tag unserer Schifffahrt bot uns schönes Sonnenwetter, als ob uns die Natur für ihre vorhergehende Ungnade entschädigen wollte. Zum Abend erreichten wir wieder die Pigeon-Bucht. Hier bereiteten wir unseren letzten gegrillten Schiffsabendessen vor, das wir uns recht gut schmecken ließen. Köstliches Entgelt für die 300 Wasserkilometer. Über dem leckeren Steak lobten wir einstimmig den Trent-Severn Waterway. Könnte man einmal die ganze Strecke schiffen, das wäre ein Erlebnis!

 

Charter: www.rrhouseboats.com


Wasserweg Rideau

Der Wasserweg Rideau unterscheidet sich von Trent-Severn gar nicht. Ausgedehnte Seen mit gegliederten Ufern, eine Menge von kleinen Inseln, kurze Kanalabschnitte mit Schleusen … Was aber anders war, das war unsere Schifffahrt: anstatt des Hausboots ein schneller Motorboot, anstatt des längeren Vergnügungsausflugs eine schnelle Sportfahrt.

Der Plan war wie folgt: mit dem Motorboot werden wir ein Tag „dorthin“ fahren, die Nacht verbringen wir auf einem der kleinen Inseln, machen wir uns ein Picknick und am nächsten Tag kehren wir „zurück“. Der Höhepunkt sollte gerade ein der winzigen kleinen, ganz öden Stücke des Festlands, die sich hier in schwarzer Menge finden…. Die Realität war aber ein bisschen anders.
Unser 7 Meter langes “Baja Cuddy Cabin Cruiser” aus dem Verleih Brown´s Marine am Chaffeys Lock genannten Ort war wirklich schnell. Schon bei der Probefahrt zeigte uns Dave, dass die Leistung von 50 km/h ganz normal ist. Das Boot war zwar flink, jedoch seine Ausstattung für längere Fahrten war bescheidener, nur der Platz für Übernachtung am Bug. Wir mussten deshalb damit rechnen und sowohl die Fahrt, als auch die mitgenommenen Utensilien anzupassen.

Die Wasserweg Rideau (Karte) in der kanadischen Provinz Ontario sollte eine sichere Verkehrsverbindung zwischen Montreal und Gebiet vom Lake Ontario bilden. Des Ausbaues unterzog sich Kapitän John By, der das Werk in den Jahren 1826 – 1832 realisierte. Die Wasserstraße ist 202 km lang: sie beginnt in der Stadt Ottawa mit der Abzweigung vom Fluss Ottawa, die als imposante achtstufige Schleusenstufen ausgeführt ist und endet in Kingston, wo sie in Lake Ontario mündet. Einige Zehner von Seen sind mit kurzen, in den Felsen ausgebrochenen Kanalabschnitten mit 49 Schleusen verbunden und bilden den überwiegenden Teil der ganzen Wasserstraße. Die Schleusen sind für die Schiffe bis die Länge von 27,4 m und Breite von 7,1 m bemessen. Der Höhenunterschied von Ottawa zur oberem Kanalhaltung beträgt 83 m, zum Wasserspiegel des Lake Ontario 50 m.

Und wie war es mit unserer Fahrt? Der erste Tag war für das offene Boot nicht zuviel freundlich. Schwere Wolken dicht über dem Wasserspiegel, ab und zu Regen und andauernder Wind … wahrscheinlich wieder Test unserer Lebensfähigkeit. Wir absolvierten einige Seen und Schleusen, schlüpften um viele Felsen und durch einige Enge.. Die zugänglichen Ufer wurden wie gewöhnlich mit Sommerhäuschen, Molen und Schiffsgaragen „besetzt“. Am frühen Abend kam Wetter zum Verstand und nur der sanfte Wind kräuselte die Wasseroberfläche.
Wir begannen nach unserem heiß ersehntem Insel zum Ankern ausblicken, jedoch man sollte seine Erwartungen nicht hoch spannen. Wir stellten auf einmal fest, dass sich auf allen geeigneten Stellen, gleich ob sie als offene Hand oder als Fußballplatz groß waren, schon Hütten oder Weekendhäusern befinden und dass sie alle, einschließlich der Landebrücken „privat property“ sind. Zu guter Letzt war es aber nicht so schlecht und wir mussten nicht auf Anker stehen. In einer kleinen Krümmung des Lake Big Rideau, wo dem See der Naturpark anliegt, kam wie gerufen eine kleine Mole für die Parkbesucher und am Ufer angenehme Stelle für Picknick. Und so übernachteten wir dort.

Die Rückfahrt war recht schön: klares Himmel, mäßiger Wind, ruhige Wasseroberfläche, schneller Gleiter … mit der Geschwindigkeit sparten wir nicht … und ebenso mit dem Kraftstoffverbrauch. Es wäre doch Sünde und Schande. Wir fuhren nicht direkt nach Cheffeys Lock, die restliche Zeit nutzten wir zur Fahrt „auf die andere Seite“. Wir konnten des Genusses aus der Schnellfahrt nicht satt werden. Letztendlich mussten wir aber das Boot um 16 Uhr zurückgeben.

 

Wahrscheinlich habe ich die Schönheiten der besuchten Wasserwege und unsere Erlebnisse aus der Schifffahrt nicht ausreichend beschrieben. Sie sind aber nicht beschreibbar und vielleicht könnte die ausführlichere Schilderung unseren Nachfolgern gegen den Strich gehen. Es ist nämlich besser, alles am eigenen Leibe zu erleben, wenn auch Kanada ganz aus der Kehre liegt.

 

Juni 2009

Charter: www.brownsmarina.com