Irland 2005

GRÜN UND BLAU

Nach Irland auf das Schiff für den Kanal Shannon – Erne fuhren wir mit der Kenntnis, dass unser Haupterlebnis nicht die Schifffahrt selbst ist, sondern insbesondere die umliegende herrliche Landschaft. Nichts davon enttäuschte uns … wir waren sogar begeistert. Die Schifffahrt durch diesen Kanal zählt zur Topkategorie. Der einzige Mangel ist doch nur eine größere Entfernung von festländischem Europa.

 

Sonntag, den 12. Juni:

Aus der Marine Locaboat Holidays in Ballinamore starten wir nach neun Uhr. Wir haben es nicht eilig, was übrigens in Irland gewöhnlich ist. Wir wählten uns südliche Richtung, zum Fluss Shannon. Die Wettervorhersage ist typisch irisch: zwischen Regenfällen wird das Wetter schön.
Schon gestern Nachmittag übernahmen wir von der Chartergesellschaft ein Schiff, ein wirklich gemütliches und sicheres „Pénichett 935“. In der Marine traf sich Samstagabend eine ziemlich interessante und für uns überraschende Gesellschaft der Interessenten an Schifffahrt: wir aus Tschechien, etwa zehn Angler aus der Slowakei, ein Ehepaar aus Budapest und natürlich Einheimische und Briten. Alle trafen wir dann ab und zu während der Woche.
Gleich nach ein paar hundert Metern wartet auf uns die erste Schleuse. Auf dem Wege zu River Shannon müssen wir zuerst auf die nicht hohe Wasserscheide auf dem Wasserspiegel des Sees Lough Scur aufsteigen und dann sich insgesamt 11 Grad herunterlassen. Die Bedienung der Schleusen lohnt sich kurz zu beschreiben. Alle Schleusen auf Shannon – Erne Waterways sind selbst bedient und halbautomatisch. Einzelne Tätigkeiten startet ein Mitglied der Schiffbesatzung auf dem Bedienpult am Ufer der Kammer. Jede Durchfahrt wird durch Abzug einer niedrigen Summe aus der Chipkarte bezahlt, die in einen Spalt im Bedienpult gesteckt wird. Die Chipkarten sind in Marinen oder woanders die Wasserstraße entlang zu kaufen. Und wenn sich in der Kammer mehrere Schiffe treffen, zahlt nur eines.
Das Ziel unserer heutigen Strecke ist die gemütliche Kleinstadt Leitrim, Entschuldigung, die Hauptstadt der Grafschaft Leitrim, wo sich wie überall eine gut eingerichtete und kostenlose Marine befindet.

Montag, den 13. Juni:

Gleich hinter Leitrim laufen wir aus dem Kanal auf den Fluss Shannon aus. Die Fahrrinne ist breiter, sie ist mit breiten Ufer- Schilfstreifen eingesäumt. Die Schifffahrt beschleunigt eine mäßige Strömung, stellenweise ergießt sich der Fluss breit und bildet tiefe Buchten.
Nach etwa 10 Kilometern biegen wir auf den rechtsseitigen Nebenfluss River Boyle ab. Wir wollen ein wenig außerhalb der Hauptwasserstraße „bummeln“. Der Fluss Boyle ist mittels einer Schleuse in der Länge von etwa 20 km bis zur gleichnamigen Stadt fahrbar. Auf dieser Strecke fließt er durch die ausgedehnten Seen Lough Eidi und Lough Key. Viele Buchten und nicht übersichtliche Schilfflächen, starker Wind, der auf dem Wasserspiegel hohe Wellen von etwa 0,5 m hebt, und niedrige Wolken erwecken ein Gefühl dramatischer Romantik.
Der Endhafen Boyle, der von ein paar Jahren auf „grüner Wiese“ erbaut wurde – in Irland kann es auch nicht anders sein – und der mit dem Fluss durch einen 1 Kilometer langen Kunstkanal verbunden ist, ist ein Beispiel für die Entwicklung der Schifftouristik. Hier halten wir uns nur zwei Stunden mit Besichtigung der Reste eines bedeutenden Zisterzienserklosters aus dem 12. Jahrhundert Boyle Abbey auf und wir kehren auf Shannon zurück. Nach einer Schifffahrtstunde ankern wir in einer großen Marine in Carrick on Shannon.

 

Das Kanal Shannon – Erne

Die Wasserstraße Shannon – Erne zählt zu den mehr als Tausende Kilometer langen binnenländischen Wasserstraßen auf der irischen Insel, die überwiegend für Erholungsschiffe fahrbar sind. Sie verbindet die Wassersysteme der Flüsse Shannon in Irland und Erne in Nordirland. Zu einer außergewöhnlichen Entwicklung der Schifftouristik tragen auch schöne umliegende „irisch grüne“ Landschaft, kulturelle Sehenswürdigkeiten und eine gut erbaute Infrastruktur bei: selbst bediente Schleusen, Häfen, Marinen und Schiffverleihe.
Der Kanal Shannon – Erne wurde nach einer langen Bauzeit im Jahre 1790 für Güterverkehr in Betrieb genommen. Seine Länge betrug 63 km und eine niedrige Wasserscheide zwischen beiden Flüssen wurde mit 16 Schleusen überwunden, die damals relativ große Abmessungen aufwiesen. Der Kanalbetrieb dauerte jedoch nicht lange, schon um das Jahr 1870 war es fast verlassen und begann bis zu „einem bitteren Ende“ zu verfallen.
Dieses Ende kam jedoch nicht, obwohl es fast 120 Jahre dauerte. In den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde ihm Aufmerksamkeit und Geld gewidmet. Nach einem großzügigen Umbau im Jahre 1994 wurde es wieder festlich in Betrieb genommen. Interessant ist, dass die meisten Finanzmittel für den Umbau aus der Europäischen Union kamen.
Heute werden sowohl dieser Kanal als auch sonstige irische Wasserstraßen von der Staatsorganisation Waterways Ireland bzw. Uiscebhealai Eireann (irisch) betrieben.

 

Dienstag, den 14. Juni:

Der Morgenhimmel prophezeit nichts Gutes, es kommt wohl dazu, dass es zwischen den Regenfällen kein schönes Wetter wird, sondern es wird nur regen.
Aus Carrick laufen wir nach Süden durch den Fluss Shannon aus. Morgen entschieden wir uns, nur bis zum Mittag zu schiffen, dann treten wir die Rückreise ein, damit wir uns am Ende der Woche auch die „verkehre Seite“ von Ballinamore ansehen können. Der Fluss ist hier ein wenig unübersichtlich, man muss die trassierte Fahrrinne aufmerksam achten. Bei der Orientierung hilft auch eine detaillierte Navigationskarte, die ich mit dem Schiff bekam.
Durch eine landschaftlich schöne Strecke wurde ein etwa 4 km langer Jamestown Canal mit einer Schiffschleuse ausgehoben, der einen langen und unfahrbaren Flussmäander verkürzt. Für die Umdrehung und die Mittagspause wählten wir eine stille Ecke an einem anderen Nebenfluss aus, einen kleinen Hafen Carnadoe. Dann kehren wir bei ständigem Nieselregen durch denselben Weg in die bekannte Marine in Leitrim zurück.
Bei dieser Angelegenheit sollte ich über Marinen ein wenig mehr erwähnen. Sie sind relativ einfach ausgestattet, jedoch sehr zweckmäßig. Ich weiß nicht, wie es in der Hauptsaison aussieht, aber wir hatten immer einen Platz für unsere Landung. Es gibt dort neue Mole, Trinkwasserquelle, Pumpe für Entleerung von Schiffabfalltanks und schöne Häuschen mit Toiletten und Duschen. Der Zugang an diese Dienstleistungen wird mittels Chipkarte bezahlt, ähnlich wie die Schleusen. Alles ist sehr gut und elegant ausgedacht.

Mittwoch, den 15. Juni:

Wir übernachten in einer schönen Marine Haughton´s Shore Mooring, die auf einer Kanalstrecke gebaut wurde, die von der Zivilisation weit entfernt liegt. Die heutige „Etappe“ war ziemlich lang und anspruchsvoll: Den ganzen Tag regnete es, 13 Schleusen– und mit Radfahrerterminologie gesagt – eine Spitzenprämie, wiederholte Überwindung des höchsten Kanalpunktes, der Wasserscheide der Flüsse Shannon und Erne. Es handelt sich um die Strecke, durch die wir schon einmal größtenteils fuhren.
Bis zu dieser Zeit wusste ich fast nichts vom irischen Regen, man würde sagen, Regen wie Regen – aber der irische Regen ist einfach anders. Kurz gesagt: es regnet und dabei scheint es als ob es nicht regen würde. Sehr feiner und andauernder Nieselregen, so fein, dass die Tropfen auf dem Wasserspiegel keine Kreise machen. Für eine Stunde in solchem Regen sind Sie nicht durchnässt, sondern total durchfeuchtet. Die Iren nennen ihn „Irish Mist“. Interessant ist es, dass ebenso auch der Kräuter-Honig-Likör genannt wird, der in der weltberühmten Whiskey-Brennerei Tullamore Dew produziert wird. Es wäre jedoch nicht geeignet, diese „Bewässerungsform“ unangemessen zu verleumden, denn gerade dieser Regen sorgt für jene 40 grünen Farbtöne der herrlichen umliegenden Natur. Und ich hörte während der ganzen Zeit auch keine Beschwerde von Kühen und Schafen, die um das Wasser weiden – und es gibt dort viele – und denen dieses Wetter evident gut macht. Wie ihre „zufriedenen und glücklichen Schnauzen“ bewiesen“, so bewertete dies meine Frau.
Und noch ein Ereignis: Als wir Vormittag zur Schleuse knapp vor Ballinamore kamen, einige Deutsche setzten sich dort mühsam mit dem Untertor auseinander, denn ein Flügel ließ sich nicht schließen. Die zum Schluss herbeigerufene Instandhaltungskolonne fing aus dem Kammerboden einen schönen platten Stein, der sich nach seinem Aussehen noch vor einem Moment auf dem Ufer befand. Und die zwei Bengel, die bis zur letzten Weile auf dem Ufer lungerten, erlebten ein paar Augenblicke ihrer schadenfrohen Freude.

Donnerstag, den 16. Juni:

In der Nacht hörte es auf, zu regnen und es begann zu peddern. Während der ersten Kilometer der Schifffahrt sind Scheibenwischer am meisten belastet. Wenn wir am Vormittag die unsichtbare Grenze an Nordirland überschreiten, wird das Wetter besser. Wir laufen auf den Fluss Erne ein, eigentlich handelt es sich um ein Gewirr von Flussarmen, Seen, Inseln, Sandbänken mit Schilf und Wasserflora, Kanälen, einfach ins Königsreich des zweigroßen Flusses auf der irischen Insel. Hier befinden wir uns im wahrsten Sinne des Wortes in der blaugrünen Welt …oder im Labyrinth. Am wichtigsten ist es, farbige Stäbe zu verfolgen, die die Fahrrinne kennzeichnen.
Hier genießen wir die eigene Schifffahrt: Willst du die Insel von rechts oder von links umfahren … gut, also von rechts … willst du diese Bucht untersuchen … wir möchten auf der Insel Inish Rath landen und irische „Hare Krschna“ besuchen, na ja, dort darf man nicht rauchen; und Brot mit Salami musst du auch auf dem Schiff lassen … Umschiffe nochmals den Wachtturm inmitten des Sees … Am Ende des Tages binden wir uns unter einer gut erhaltenen und gepflegten Bergruine Crom Castle. Die Marine sollte eher „Auf dem Windberg“ nennen.

Freitag, den 17. Juni:

Der letzte Tag auf dem Schiff ist immer irgendwie seltsam. Die Besatzung treibt zwischen zwei Gefühlen: noch möglichst viel zu schiffen und zugleich in die Heimmarine rechtzeitig zu kommen. Mit verschiedenen Abstechern kehren wir auf dem gleichen Weg nach Ballinamore zurück.
Dort wartet auf uns eine „wirklich schöne Überraschung“ – unsere Freunde – Angler aus der Slowakei erfüllten ihr eine Woche altes Versprechen und brachten uns aus ihrer Anglerexpedition etwas Kleines zum Abendessen, einen 3-Kilo-Hecht. Als los an die Arbeit: Öl, Salz, Gewürz, Bratpfanne, eine Flasche Weißwein …, eine Gasbratröhre gibt es auf dem Schiff auch … Und wir mussten auch die Besatzung des ungarischen Schiffes einladen, denn ein so großes Stück Fleisch war für uns zu viel.
Samstagmorgen mussten wir das Schiff übergeben, unsere Sachen ins Auto übertragen, sich von allen freundlich verabschieden … und aufwärts in andere Gegenden Irlands, aber nur auf dem Festland.

Irische Wasserstraßen, insbesondere das System Shannon – Erne, weisen wirklich alle Attribute für einen tollen Schiffurlaub auf: gut ausgestattete Wasserstraßen, Marinen, Schleusen, umliegende Szenerie, eine große Auswahl an Charterschiffen; auch das Wetter gehört irgendwie dazu, und nicht zuletzt auch die anschließende Möglichkeit, ein paar Tage mit interessanten Reisen durch „sonstiges“ Irland zu verbringen.

 

Juni 2005

Charter: www.locaboat.com