Tschechien 2012

Winterliche Schiffahrt von Dresden über Prag nach Kolín

Die polnische – tschechische Expedition „Vistula Cruisers 2012 Mid – Europe Expedition“ war aufgrund ihrer Länge und der für den herbstlichen Termin typischen Wetterverhältnisse eine echte Herausforderung. Organisiert wurde sie von Lukasz Krajewski, dem Betreiber einer Chartergesellschaft und Hersteller der Vistula-Motoryachten in Polen ( www.zeglugawislana.pl / www.vistulacruisers.eu ).
Was geschah, bevor ich mich der Expedition anschloss? Lukasz startete am 6. Oktober 2012 in Gdańsk, fuhr dann auf der Wisła nach Bydgoszcz und weiter über Noteć und Warta bis zur Oder. Weiter ging es über den Oder – Havel – Kanal und die Obere Havel auf den Müritzsee und dann über die Elbe und die Untere Havel bis nach Berlin. Vom 23. bis 28. November 2012 nahm er dort an der Bootsmesse „BOOT & FUN BERLIN“ teil. Am 29. November 2012 machte sich Lukasz allein auf den Weg von Berlin zur Elbe und auf der Elbe nach Dresden …
… und weiter ging es dann so:

 

Donnerstag, 6. Dezember: Dresden

Ich stand um 13 Uhr im Schneesturm auf dem Anleger unter der Augustusbrücke in Dresden. Lukasz kam pünktlich. Ich sprang aufs Boot und wir fuhren etwa 2 km zurück in den Dresdner Marina. Am späten Nachmittag besuchten wir den Weihnachtsmarkt und bereiteten uns dann auf eine eisige Nacht vor.

 

Freitag, 7. Dezember: Dresden – Hřensko, 55 km

Wir wachen morgens auf dem Schiff bei -14 °C auf, das Hafenbecken ist von einer dünnen Eisschicht bedeckt. Um 7 Uhr legen wir ab, verlassen die beleuchteten Ufer von Dresden und fahren in die Morgendämmerung. Einer der schönsten Abschnitte der Elbe erwartet uns – das Elbsandsteingebirge der Sächsischen Schweiz: Rathen, Lilienstein, Königstein, Bad Schandau und dann Hřensko, das Ziel der heutigen Etappe auf tschechischem Landesgebiet. Die verschneiten Sandsteinfelsen der Umgebung bestätigen meine Überzeugung, dass der Zauber der „überzuckerten Türme“ der Felsstädte unvergleichlich ist. Als wir am verlassenen Anleger von Hřensko ankommen, dämmert es bereits. Und dass wir nur 55 km gefahren sind? Die Elbe hat hier eine ziemlich starke Strömung.

Samstag, 8. Dezember: Hřensko – Velké Žernoseky, 54 km, 1 Schleuse

Der Frost lässt nicht nach, die Gegenströmung wird stärker. Es erwartet uns eine Reihe von schwierigen, engen Stellen in der Gegend von Děčín, an welchen wir nicht schneller als 2 km/h fahren können. Erst nach der Schleuse von Střekov geht die Fahrt durch ruhigeres Wasser. Wir ankern abends in Velké Žernoseky beim Hafendamm am rechten Flussufer. Gleich nach dem Anlegen füllen wir unsere Vorräte in einem nahen Geschäft auf. In dieser Nacht leiden wir auf unserem Boot nicht unter der Kälte, die Dieselheizung läuft ohne Unterbrechung.

Sonntag, 9. Dezember: Velké Žernoseky – Nelahozeves, 74 km, 7 Schleusen

Der morgendliche Aufbruch aus Žernoseky war eine „wahre Freude“: durch den anhaltenden Frost war um das Boot herum eine Eisschicht entstanden, es war dunkel, neblig, … trotzdem gelang es uns, das zwei Kilometer entfernte Schleuse in Lovosice zu „finden“. Die anschließende Fahrt bis zum Zusammenfluss von Elbe und Moldau war problemlos. Obwohl wir uns beeilten, passierten wir die Schleuse bei Hořín an der Moldau um 15 Uhr und erreichten die Schleuse Miřejovice um 16 Uhr, schon beinahe bei Dunkelheit. Bei der Schleuse von Hořín traten Probleme auf. Das Wasser im oberen Schleusenbecken begann bereits zu gefrieren, sodass wir etwa 100 Meter zentimeterdickes Eis überwinden mussten. Aber die Übernachtung im angenehmen „Marina Vltava“ in Nelahozeves (www.marinavltava.cz) bei unserem Freund Petr Kožený entschädigte uns für alle Mühen.

Montag, 10. Dezember: Nelahozeves – Prag, 33 km, 4 Schleusen

Wir möchten so schnell wie möglich in Prag ankommen, da Lukasz sich darauf besonders freut. Um 12 Uhr sind wir dort und stellen positiv überrascht fest, dass es direkt im Stadtzentrum zwischen der Manes- und der Čech-Brücke eine schöne, 500 m lange, völlig leere Hafenmole „für jedermann“ gibt. Hier werden wir ankern. Aber zuerst müssen wir durch Schleuse Smíchov fahren. Bei der Karlsbrücke steige ich aus und fotografiere das Boot vom Ufer aus – für die Werbeprospekte. Lukasz genießt das vorweihnachtliche Prag, wir besichtigen die Prager Burg, die Kleinseite und die Altstadt. In einigen Kneipen machen wir Halt und testen tschechisches Bier.

Dienstag, 11. Dezember: Prag – Lobkovice, 65 km, 8 Schleusen

Erstaunlicherweise verlief dieser Tag unserer Fahrt problemlos. Wir „flitzten“ nur so die Moldau herunter, ohne Zeitdruck. Das Eis der Schleusenkanäle – vor allem in Hořín – war gut zu bewältigen. Bereits beinahe in der Dämmerung ankerten wir oberhalb der Schleuse Lobkovice – bereits auf der Elbe, bei km 13 – und bereiteten uns ein Abendessen auf dem Boot. Die Heizung auf dem Schiff arbeitete ebenso intensiv, wie der Frost draußen.

Mittwoch, 12. Dezember: Lobkovice – Nymburk, 46 km, 7 Schleusen

Mittwoch, etwa alle sechs Kilometer kommen wir an Schleusen: Kostelec n.L., Brandýs n.L., Čelákovice, Lysá n.L., Hradištko, Kostomlátky und Nymburk. Überall treffen wir auf große Hilfsbereitschaft, das Mitgefühl mit unserer „Eingefrorenheit“ ist wohl verständlich. Wir sind nicht in Eile, das Boot fährt mit 10 km/h und die Schleusen an der oberen Elbe sind bis 18 Uhr in Betrieb. Der lange, eingefrorene Kanal der Schleuse in Brandýs bereitet uns ein bisschen Mühe, aber wir waren ja mit unserem Boot bereits geübt in unserer Funktion als Eisbrecher. In Nymburk erwartet uns oberhalb der Schleuse nicht nur ein Anlegeplatz für kleine Boote und Schiffe, sondern auch das gemütliche Restaurant „Pod vodárnou“ in der Stadt.

Donnerstag, 13. Dezember: Nymburk – Týnec nad Labem – Kolín, 58 km, 8 Schleusen

Nie hätte ich gedacht, dass der letzte Tag unserer Fahrt der anspruchsvollste werden würde, besonders da wir in der Gegend meines Wohnorts Kolín unterwegs waren. Unser Plan war, in die Marina in Týnec n.L. ( www.marinatynec.cz ) zu fahren und dort am nächsten Tag mit Hilfe des bereits bestellten Krans das Boot auf den Anhänger zu laden und … Ende der Expedition … Aber bereits das Eis in der Schleuse von Kolín bereitete uns darauf vor, dass die Umsetzung unseres Plans nicht so einfach werden würde. Und die Schleuse Veletov? Wenn nicht ein Lastschiff die Schleuse direkt vor uns passiert hätte, wären wir hier mit unserer Vistula nicht durch die 4 Zentimeter dicke Eisschicht gekommen. Und Týnec? 500 m durchgehendes Eis vor dem Hafen. Was jetzt … Umkehr und schnell im Kolíner Hafen angelegt. Bereits am Abend feiern wir den erfolgreichen Abschluss unserer Reise bei mir zu Hause und Lukasz genießt den Schweinebraten mit Kraut und Knödeln, den Lída für uns gekocht hat. Ich glaube, er hat ihn sich redlich verdient, schon allein wegen seiner Solofahrt von Berlin nach Dresden.

Freitag, 14. Dezember: Hafen Kolín

Am Morgen kommt der Kran in den Hafen und lädt die „Vistula“ auf den Anhänger. Lukasz und sein Boot brechen in ihren Heimathafen in Polen auf. Und jetzt nur noch ein paar Angaben zu dem Schiff, das uns so verlässlich gedient hat: Länge 9 m, Breite 2,9 m, Tiefgang 0,45 m, Gewicht 2,7 t, Motor 45 PS, max. Geschwindigkeit 15 km/h, sehr widerstandsfähig – nach dem „Durchbrechen“ der Eisschicht keine Spuren an den Seitenwänden.

Die Expedition war sehr erfolgreich! Es hat sich gezeigt, dass eine Fahrt auch bei beißender Kälte nicht unterbrochen werden muss, sondern die extremen Wetterbedingungen im Gegenteil unvergessliche Erlebnisse und neue Erfahrungen mit sich bringen und die Skipper „abhärten“.

 

Dezember 2012