Australien 2006

Zweimal „Canal Boating“ in Australien

Nach Australien sind wir für einen Monat im Herbst 2006 abgereist, wann auf dem „kleinsten“ Kontinent Frühling ist, was für Reisen die beste Jahresperiode ist. Ziel unserer Wanderung war der Staat New South Wales und selbstverständlich konnten in unserem Reiseplan Schifffahrten nicht fehlen: auf dem Murray River und in der Broken Bay.

 

Erste Schifffahrt: Der australische Mississippi

Es ist von mir wahrscheinlich waghalsig, eine Parallele zwischen dem australischen Murray Fluss und dem weit größeren amerikanischen Fluss zu stellen – insbesondere dann, wenn ich auf dem Mississippi nie gewesen bin. Aber ich kann mir nicht helfen: dies ist mir eingefallen, als ich in Echuca den Fluss zum erstenmal sah: der alte Hafen, die ankernden historischen Raddämpfer, die Hafenstraßen mit den kleinen Geschäften und Stuben – man spürt eine Atmosphäre wie vor 100 Jahren.

 

Der Murray River

Australien ist ein Kontinent, der von Binnenwasserstraßen – schiffbaren Flüssen oder Kanälen – gar nicht starrt. Trotzdem finden Sie auf seinem Gebiet den interessanten und schiffbaren Murray Fluss, der in der Vergangenheit eine bedeutende Rolle bei Besiedelung und Nutzung des Inneren des Kontinents spielte.
Der Murray ist ca. 2500 km lang und mit seinem überwiegenden Strom bildet er eine Naturgrenze zwischen den Staaten New South Wales und Victoria. Der Murray entspringt in den Gebirgen am Südosten des Landes und mündet in den Südaustralischen See unweit von Adelaide.
Für die Güterbeförderung mittels charakteristischer Raddämpfer und Schlepper wurde der Murray bereits seit 1850 intensiv genutzt. Dank seinem kleinen Flussgefälle konnte bei einem ausreichenden Wasserreichtum bis zur Stadt Echuca am Flusskilometer 1712 mit Schiffen gefahren werden. Der Hafen in Echuca als Endhafen im Binnenland war seinerzeit sehr ausgelastet und diente als Verbindungspunkt nicht nur für die Warentransporte zum See, sondern auch in andere Häfen auf dem Fluss. Auf dem Höhepunkt seines Ruhmes war er am Ende des 19. Jahrhunderts. Später – auch wenn sich die Schiffbarkeit des Murrays durch Aufbau von Wehren und Schleusen verbesserte – wurde die Güterbeförderung durch entstehende Eisenbahnstrecken übernommen.
Der Murray, auch wenn er mit seiner Länge zu den Weltströmen zählt, ist keinesfalls massiv. Interessant ist es, dass er am unteren Lauf gleich wasserhaltig ist wie am oberen Lauf. Die Ursache ist es, dass der Murray auf seinem Weg durch sehr trockene Gebiete fließt, welche ihm überhaupt mit keinem Wasser versorgen; im Gegenteil haben diese Gebiete dem Fluss viel Wasser in großem Maß in den letzten Jahrzehnten entzogen.

Der Murray und Hausboote

Der schiffbare Teil des Murrays dient heutzutage nur zu Freizeitschifffahrten. Viele Vermietungsfirmen bieten ausschließlich Hausboote, welche zu Schifffahren auf diesem Fluss ideal sind – eine Motoryacht oder ein Motorboot sind nur selten zu sehen.
Alle Hausboote sind standardmäßig ausgelegt: auf zwei länglichen Schwimmkörpern ist ein Wohnraum aufgestellt, der sich von einem „normalen“ Haus nur dadurch unterscheidet, dass es vorne einen Steuerstand und hinten einen starken Innenbordmotor gibt. Die Boote haben kompletten Komfort: voll ausgestattete Küche mit Gas- oder Stromaggregatverbrauchern, Wohnzimmer, mehrere Schlafzimmer, Dusche, WC, Grill, Terrasse am Dach. Wir hatten – wie immer – das kleinste Boot weit und breit. Unser Hausboot war „nur“ 5 x 12 m groß und hatte „nur“ drei kleine Schlafzimmer.

Der Murray und Schifffahrt

In Echuca herrscht auf dem Fluss ein ziemlich reger Schifffahrtsbetrieb. Wunderbare historische Raddämpfer, die meistens mit ursprünglichen Dampfmaschinen betrieben werden, bieten den Touristen kurze Schifffahrten oder dienen als bestellte „River-Party“ – fast wie in Prag unter der Karlsbrücke. …
Für Hausboot-Charter ist kein seemännisches Zertifikat (Führerschein) erforderlich – und das unabhängig von der Größe. Die Fahrrinne ist keineswegs bezeichnet, nur am Ufer findet man Schilder mit Flusskilometern. Es ist bewundernswert, dass auch wenn man in Australien auf den Straßen links fährt, auf dem Fluss gilt unsere Regel Ausweichen rechts, wie dies Martin, der uns das Hausboot übergab, kurz beschrieben hat: „port to port“. Der Murray River fließt mit einer Geschwindigkeit von etwa 4 km/Stunde und deswegen erreichen die Wasserfahrzeuge stromabwärts eine Geschwindigkeit von etwa 12 km/Stunden, bei Schifffahrten stromaufwärts ist grob mit einer Doppelzeit zu rechnen.
Und wie und wo ankern? Auf dem Murray sind weder Marinas noch Anlegestellen. Die hohen sandiglehmigen Ufer enden üblicherweise beim Kontakt mit dem Pegel mit einem schmalen Sandsträndchen und deswegen kann man sozusagen überall anlanden. Mann wählt einen schönen Platz mit zwei am Ufer geeignet stehenden Bäumen, das Boot wird quer zum Ufer ausgesteuert und langsam auf die absteigende Stromsohle gefahren. Mit dem Motor wird das Schiff senkrecht zum Ufer abgerichtet und gehalten, bis es an beiden Seiten an diesen Bäume (!!!) festgebunden wird. Und jetzt kann alles Mögliche beginnen: Angeln, Schwimmen, Grillen oder eine andere „zusätzliche“ Unterhaltung, was auch von den meisten Besatzungen der Hausboote betrieben wird.

Der Murray und wir

Das Hausboot „Regency“ haben wir am Montagnachmittag übernommen, als wir vorher im lokalen Supermarkt Vorräte an Essen und Getränken für die ganze Schifffahrtsdauer eingekauft haben. Da es auf dem Schiff auch einen richtigen Kühlschrank gab, kauften wir lokale ausgezeichnete „Steaks“ zum Grillen auf dem Schiffgrill.
Am ersten Tag machten wir mit dem „Wasserfahrzeug“ eine kurze Testschifffahrt „über“ und „unter“ Echuca, aber vor allem sahen wir uns vom Wasser aus den „Old Port of Echuca“ an, wo anscheinend die größte Flottille der alten Raddämpfer weltweit ankert. Ich habe dies in keinen Quellen überprüft, aber ich würde dies ganz glauben. Der Blick vom Wasser aus war so überwältigend, dass ich am Hafen zirka dreimal vorbeifuhr.
Erst am Dienstagmorgen starteten wir eine „richtige“ Schifffahrt. Aber wie geht das zusammen – der Murray – das Hausboot- die richtige Schifffahrt? Auf dem Murray River ist die Zahl der mit dem Schiff gefahrenen Kilometer nicht wichtig. Es geht eher um die Zeit, die man in einer wunderschönen Natur am fahrenden oder ankernden Schiff verbringt. Wir fuhren jeden Tag etwa 20 km, aber das ist nicht wichtig. Es ist nicht gut ambitiös zu sein und von irgendwoher irgendwohin und zurück“ zu fahren. Der Murray mit seinem stark mäandrierenden Strom ist sozusagen endlos. Aber auch in dieser Endlosigkeit ändert sich die Szenerie der meistens verlassenen Ufer mit bizarr geformten Eukalypten immer wieder und hinter jeder Flusskrümmung werden neue Blicke eröffnet. Ein unerwartetes Erlebnis für einen Europäer ist auch eine unglaubliche Vielfalt und Menge von Vögeln, die ohne Scheu in der Nähe zu den Leuten fliegen.
Unsere erste Schifffahrt hatte auch ihr Ende und nach Rückgabe des Hausboots in Echuca machten wir uns weiter auf den Weg ins Innere Australiens, um weitere Erlebnisse zu sammeln.

 

Charter: www.richriverhouseboats.com.au

 


 

Zweite Schifffahrt: Schiffparadies in der Broken Bay

Diese Schifffahrt war ganz unterschiedlich als die erste: ein anderes Schiff – eine Motoryacht, anstatt des Flusses eine Seebucht, ausgedehnte Wasserflächen mit steilen Felsenufern, verschiedenste Wasserfahrzeuge, aber auch Regen- und Windwetter. Trotz allem ein richtiges Paradies für alle Schiffarten.

 

Die Broken Bay befindet sich ungefähr 50 km nördlich von Sydney und schneidet sich tief ins Festland mit ihren vielen Armen und ihren Golfen in Form von norwegischen Fjorden an. In die Broken Bay mündet der Hawkesbury, einer der größten Flüsse am Osten des Staats New South Wales. Aus Orientierungssicht ist das aber nicht so einfach – die Bucht wird von drei Großteilen gebildet: die große Bucht am Süden – Pittwater, die mittlere Cowan Creek und weit im Norden Brisbane Water. Aber dort hinter diesem felsigen Barrenjoey Head mit dem Lichtturm sind nur die endlosen Flächen Pazifiks.

 

„Persuader 22 Cliper“ – das war unsere Motoryacht, die wir uns in der Pittwater Bucht in der Gibbson Marina für drei Tage anmieteten. Für zwei Schiffer und das Wassergelände, das wir zu „überwältigen“ vorhatten, ziemlich ausreichend.

 

Als wir uns mit dem Auto dem südlichen Zipfel der Pittwater Bucht annährten, dachten wir, nur einsame Ufer mit einer unserer Marina zu finden …….jedoch im Gegenteil. Diese Region ist nämlich die „Schifffazilität“ der Großstadt Sydney und überall gab es geankerte Schiffe und Ferienhäuser an den Ufern. Inklusive der blauen Marina „Royal Marine“. Nun, in Australien leben die Leute mit dem Wasser und auf dem Wasser.

 

Die weitere Umgebung dieses ganzen Großgebiets war anders. Die meisten unserer Schifffahrten wurden mit hohen Felsenufern mit kleinen Stränden in flachen Golfen begleitet. Wer tatsächlich eine einsame Stelle zur Ankerung suchte, hatte damit nicht soviel Arbeit.

 

Wie sieht es mit Ankern in diesem Gebiet aus? Es gibt hier nicht so viele Marinas und sie sind nicht in den romantischen Lokalitäten. Es wird an Mooringboje geankert, die an vielen geeigneten Stellen platziert sind – wer diese hingestellt hat, habe ich nicht gefragt. Es ist aber zu wissen, dass die kleinen gelben „privat“, also von jemand, der diese für seinen Privatgebrauch gestellt hat, und die großen gelben sog. „public“, also öffentlich für alle, sind. Auch am Wochenende gab es immer viele freie und falls nicht, warum könnten an einer Boje nicht zwei Schiffe ankern? Zumindest ist die Unterhaltung beim BBQ besser. Einfache Behaglichkeit.

 

Die Pinta Bay wurde zum Treffpunkt mit unseren Freunden Graem, Catherine und Alistair. Zum vereinbarten Ort (S 33°35´30,28´´ – E 151°12´30,10´´) sind sie einwenig später nach uns am Samstagnachmittag mit einem eher schnelleren und größeren Schiff als unser angekommen, so dass wir uns an ihrem Deck lange bis Nacht beim Grillen und Bier und Wein unterhalten konnten. Am nächsten Morgen – bei der Bayliner-Motostärke – verschwanden sie hinter dem ersten Felsenriff schneller, als wir uns von der Boje freilassen konnten.

 

Unter der Brooklyn Eisenbahnbrücke fließt der Hawkesbury River, der nach drei Kilometer mit den Broken Bay verfließt. Sein mäßiger Strom wiederspiegelt sich in der Schiffgeschwindigkeit. Und über die Brücke gibt es noch viele Kilometer seines Stroms mit Möglichkeiten einer weiteren schönen Schifffahrt.

 

Die Eisenbahnstreckei bietet einen großen Vorteil: direkt am Fluss ist eine Zugstation im Ferienort Brooklyn mit einer großen Marina mit aller erforderlichen Ausstattung für Wassersportarten und mit einem umfassenden Ankerplatz hinter der hohen felsigen Landzunge. Ein idealer Ort für Schiffeigentümer aus weitgehender Umgebung.

 

Der Sonntagswind wurde stark zum frischen Wind und trieb in die Bucht durch ihre offene Mündung lange ozeanische Seewellen ein. Diese haben uns bei unserer Rückkehr in die Heimatsmarina gewippt und den lokalen erfahrenen Yachtern bestimmt Vergnügen durch Erschwerung der Trainingbedingungen verursacht.

 

Auf Wiedersehen Australien … Auch diese Schifffahrt näherte sich zu ihrem Ende. Auch wenn in der Broken Bay viele unentdeckte Ecken und lockende Wasserflächen geblieben sind, wollte das Flugzeug in Sydney am nächsten Tag nicht warten.

 

Oktober – November 2006

Charter: www.skipperaclipper.com.au