Schweden 2007

Quer durch Schweden auf dem Göta Kanal

Ein weiteres skandinavisches Land, in dem wir uns für eine Schiffsreise über die Kanäle entschieden haben, ist Schweden. Von den angebotenen Möglichkeiten wählten wir den Göta-Kanal, ein echter Klassiker unter den europäischen Kanälen. Hier wird die Schiffsreise von einer wunderschönen Umgebung und reichhaltiger Technikgeschichte, verbunden mit der Binnenschifffahrt, umrahmt.

 

Sonntag – 3. Juni

Zum ersten Mal sind wir dem Göta-Kanal am Sonntag vormittag an seinem Anfang in Mem begegnet. Eine lange Meeresbucht, die erste Schleuse, darüber der Hafen und das schon bis in den Wald gewundene enge Band des Wasserspiegels. Aber das noch vom Auto aus, als wir nach Söderköping gefahren sind, um uns einzuschiffen.
„Unser“ Schiff hat schon am Kai in Söderköping geankert. Es hatte einen würdigen Namen: Regina von Platen, nach der Ehefrau des Baltzar von Platen. Um 15 Uhr ist Stefan Sahlén gekommen und hat uns Regina ohne weitere Erklärung für eine Woche anvertraut. Ich weiß nicht, wie die Frau Platen war, aber „unsere“ war ein echter „Tanker“: der Rumpf aus Stahl, die Maße 10,8 x 3,3 x 0,9 m und der Dieselmotor 75 hp. Ihre Manövrierfähigkeit ist ausgezeichnet, dank des schwenkbaren Propellers und des Hydraulikgetriebes – das Ausweichen war mit ihr eine wahre Freude. Sie war für acht Personen eingerichtet, also für die zwei Personen unserer Besatzung und die Dackelhündin Ajda „wie gemacht“. Wir richteten uns ein, machten am Abend eine Probefahrt und warteten auf den „prickelnden Start“ am Sonntag Vormittag.

Montag – 4. Juni

Wir warteten in Söderköping auf den Schiffskonvoi aus Mem. Er sollte um etwa 10 Uhr ankommen, aber wie es bei einem Konvoi nun einmal ist … Warum überhaupt ein Konvoi? Diese Woche herrscht auf dem Kanal noch keine Hochsaison und die Schleusen und Brücken arbeiten nur für einen begrenzten Zeitraum. Sie lassen nur die Boote durch die am Montag gemeinsam aus Mem auslaufen und bis Sonntag nach Sjötorp fahren sowie Boote in der Gegenrichtung. Jedoch stört diese „organisierte Fahrt“ nicht – die Tagesetappen sind mit Hinblick auf die Anzahl der Schleusen und auch auf nächtliche Ankermöglichkeiten an angenehmen Orten passend ausgewählt.
Zum Schluss laufen wir mit weiteren acht Booten – fast alle sind Segelboote – vor dem Mittag aus und auf uns warten neun ein- und zwei zweistufige Schleusen und außerdem Hebe-, Dreh- und Rollbrücken. Davon wird der Transport nicht beschleunigt, obwohl auf dem Kanal bei freier Fahrt normalerweise 10-12 km/h erreicht werden. Nach der „groben Schiffsrackerei“ in den Schleusen kosten wir die Überfahrt über den ersten See – Äsplängen – aus.
Nach Norsholm, am Anfang des Sees Roxen, kommen wir um 19 Uhr und vor uns liegen noch mehr als zwei Stunden Schifffahrt auf der langen Fläche des Sees, dem Sonnenuntergang entgegen. Aber während der schwedischen „weißen Nächte“ kommen wir noch am „hellen Tag“ nach Berg, obwohl es schon nach zehn Uhr ist. Wir haben 50 km Fahrt hinter uns und vor uns liegt….aber das ist erst morgen.

 

Dienstag – 5. Juni

Gestern sind wir eingeschlafen und heute wachen wir auf mit Blick auf die einmalige siebenstufige Schleusentreppe in Berg (Carl Johann slussar). Der Anblick ist fantastisch, besonders wenn über alle Schleusentore schäumende Wasserströme fließen. In die untere Schleuse „treten“ wir um 11 Uhr als dritte Runde Schiffe ein. Die Stufen zu durchfahren ist ganz schön anstrengend. Die gefüllte Schleuse bildet mit dem unteren Aufsatz der oberen Tore eine rasante Strömung und verlangt selbst im ruhig liegenden Boot viel Aufmerksamkeit und häufige Arbeit mit den Seilen.
Und das Resultat? Nach zwei Stunden sind wir 160 m weiter und 18,5 m höher… Und daran anschließend – stufenweise bis auf 300 m – erwarten uns vier weitere zweistufige Schleusen. Aber zuerst müssen wir warten, bis sich das große Ausflugsmotorschiff „Juno“ Schritt für Schritt mit den Wassermassen auseinandersetzt, weil Boote dieser Größe und Funktion immer Vorfahrt haben.
Danach fahren wir noch einige Kilometer durch den Kanal nach Borenshult, wo wir um 18 Uhr anlegen. Aber selbst auf dieser geraden Strecke fließt der Verkehr nicht durchgängig. Immer wieder müssen wir vor einer Brücke warten, bis sie geöffnet wird – eine hat zu guter Letzt sogar eine einstündige Störung… Die Leute, die Schleusen und Brücken bedienen, herrschen über unsere Zeit. Aber wohin sollten wir eilen?

Mittwoch – 6. Juni

Der heutige Reiseplan ist nicht sehr anstrengend – das heißt abgesehen von weiteren „Schleusenleckerbissen“. Um 10 Uhr müssen wir unter der fünfstufigen Schleusentreppe Borenshult sein. Das bedeutet, spätestens um halb neun zur 13 km langen Überfahrt über den See Boren aufbrechen.
Die Schleusung der Schleusentreppen ist für uns schon fast Routine, obwohl diesmal die Wasserfälle vom oberen Tor um einiges mächtiger sind und wir in der Schleuse ganz vorn stehen. Nach 90 Minuten sind wir mit den anderen Schiffen 15,3 m höher gekommen. Uns fehlen noch etwa 4 km Fahrt auf dem Kanal mit nur ein paar Brücken. Die letzten drei Brücken sind 3,5 m hoch und so umfahren wir sie ohne Aufwand, was für unsere Begleitung – die Segelboote – nicht möglich ist. Aber einen Vorteil haben wir uns trotzdem nicht verschaffen können, weil genau vor der Ankerstelle eine Schleuse ist, an der wir auf sie warten müssen. Diese Schleuse ist es wert, erwähnt zu werden: sie gleicht zum Beispiel den Wasserpiegel des Sees Vättern dem Pegel des Kanals an…während unserer Durchfahrt steigt dieser um immerhin 10 cm an.
Und am frühen Nachmittag ankern wir im Hafen in Motala am Ufer des Sees Vättern und wie jeden Tag nutzen wir die perfekt ausgestatteten Duschen wenige Schritte vom Boot.

 

Donnerstag – 7. Juni

Diesen Tag könnte man als Ruhe- und Ausflugstag bezeichnen. Ruhetag deshalb, weil wir nur von Motala nach Vadstena übersetzen – eine 12 km lange Fahrt über den Vätternsee, und Ausflugstag deshalb, weil Vadstena nicht direkt auf der Strecke des Göta-Kanals liegt, sondern am Ufer eines Sees südlich von Motala.
Das Wetter ist immer noch blendend: klarer Himmel, Lufttemperaturen um 9 Uhr d 20°C, Wassertemperatur 12°C, Windstärke 1 m/s, Windrichtung NNE, weiterhin Hochdruckgebiet (das meldet die meteorologische Station des Hafens Motala). Nach Vadstena kommen wir gegen 11 Uhr und machen gleich große Augen: die „Marine“ befindet sich in einem richtigen Wassergraben unter gewaltigen Schanzen, die sich um ein Renaissanceschloss reihen. Die Einfahrt erfolgt durch einen kurzen Kanal direkt vom See aus. In unserem ganzen Leben haben wir noch keinen phantastischeren und romantischeren Hafen gesehen (sagen Sie es nicht weiter, aber unsere „Denkmalpfleger“ würden verrückt werden, würde jemand bei uns so etwas bauen). Wegen diesem Schloss und anderen Sehenswürdigkeiten haben wir am Ausflug nach Vadstena teilgenommen.
Obwohl die Wassertemperatur unseren Schiffen „egal ist“, unsere Körper empfanden sie während eines nachmittäglichen Bades noch kälter … Aber wie oft hat unsereins die Möglichkeit genau in diesem See zu baden.

Freitag – 8. Juni

Vor neun Uhr verlassen wir die „Renaissancemarina“ und brechen zur Überfahrt über den Vätternsee auf – das sind etwa 32 km. Obwohl es nicht schwer ist, sich in dieser Gegend zu orientieren, ist es gut drei bis vier Punkte auf der Strecke ins GPS einzugeben, und ohne Probleme die Unterwasserfelsen in der Mitte des Sees herauszufinden, obwohl sie nicht mit herausragenden Schifffahrtszeichen gekennzeichnet sind. Das einzige Problem hatte Ajda während der überdurchschnittlich häufigen Wendemanöver – sie fürchtete sich ein bisschen.
Nach Karlsborg kommen wir vor dem Mittagessen und an der Weiterfahrt hindert uns die verlassene Straßenbrücke, die erst am Abend geöffnet wird. Aber das ist egal. Die Besichtigung der Festung (Karlsborgsfästning) ist es wert und nimmt fast den ganzen Nachmittag ein.
Gleich hinter der Brücke ist eine Bootstankstelle. Wir wollen tanken aber es gibt nur einen Kartenautomat ohne Bedienung und der macht einen ramponierten Eindruck…und ihm dann die Kreditkarte anvertrauen….also fahren wir weiter.
Nach einer Stunde Fahrt über den kleineren Botten-See ankern wir vor der Schleuse in Forsvik. Hier erwartet uns wahre Kanalgeschichte, hier wurde die Existenz des Kanals ins Leben gerufen, hier wurde im Jahre 1810 die erste Göta-Schleuse gebaut, hier gibt es die älteste schwedische Hebebrücke…

 

Samstag – 9. Juni

Samstag morgen: ein „Hopp“ und wir sind oben. Das „Hopp“ ist der letzte Anstieg in Forsvik und „oben“ heißt , dass wir uns auf dem höchsten Abschnitt des Kanals befinden, auf der Höhe des Sees Viken, 91,8 m über dem Meeresspiegel. Bevor wir aber zum eigentlichen See kommen, fahren wir etwa einen Kilometer durch enge, felsige Kanalabschnitte mit Einbahnstraßen-Regelung und schmale steinig Engpässe in der Bucht.
Der Viken-See ist ein 23 km langer Kanalabschnitt. Seine Szenerie erfreut auch diejenigen, die schon so einiges an Wasser und Meer gesehen haben. Die Wasseroberfläche ist nicht breit, krümmt sich wie ein Hufeisen und ist zergliedert.Die exakte Durchfahrt zwischen zahlreichen Inselchen und kleinen Felsen ist durch Bojen vorgegeben. Die Ufer sind menschenleer und von Nadelwäldern gesäumt. Sonniges und fast windstilles Wetter schaffen eine einzigartige Atmosphäre, nur vom Brummen des Motors unterbrochen.
Ein weiterer Kanal geht aus dem See in Tätorp hervor, wo man eine pittoreske „sluss“ durchfahren muss, diesmal schon unten. Es ist eine der zwei Schleusen auf dem Kanal, die noch dauerhaft „vollwertig“ von Hand betrieben wird und etwa 20 cm überwindet. Den Tag beenden wir in Töreboda nach zwei Stunden Fahrt, in denen das „Driften“ vor geschlossenen Brücken wieder beträchtliche Zeit kostet.

Sonntag – 10. Juni

Heute „pfeifen wir uns eins“, wir fahren bergab: auf einer Länge von 19 km mit einem Höhenunterschied von 48 m überwinden wir 17 Schleusen, entweder einfache oder verschiedene Arten von zwei- und dreistufigen Varianten. Erst der See Vänern stoppt uns.
Das warme Wetter setzt sich fort, es ist noch nicht einmal auf dem Gipfelpunkt. Einen längeren Aufenthalt während des Wartens auf die Öffnung einer Eisenbahnbrücke empfinden wir nicht als Schwierigkeit, sondern begrüßen die Chance, im Kanal zu baden. Das Wasser hier im westlichen Teil ist sehr sauber, was durch die Einspeisung aus dem Viken-See ermöglicht wird.
Mit dem sich nähernden Sjötorpen neigt sich auch unsere einwöchige Schiffsreise dem Ende zu. Um 15 Uhr verabschieden wir uns von den anderen Schiffen im Konvoi und schweifen zum oberen Teil des Hafens Sjötorp…gute Fahrt…happy navigation….dobrou plavbu.
Am Hafen wartet schon Stefan Sahlén, bei dem wir sein Schiff gegen unser Auto „eintauschen“, das uns zum Ausgangspunkt unserer Reise brachte… und irgendwann zur nächsten.

 

Schwedischer Göta-Kanal hat keinen Fehler gehabt. Ich weiß, es war schönes Wetter auf schwedische Verhältnisse im Juni umglaublich. Aber beim schrecklicheren Wetter wäre es auch gut: wunderbare Landschaft, angenehme Hafen, lange Überfahrte über den Seen, bequemes Boot, ….
Mit dauerter schöner Wettervorhesage möchten wir noch ein paar Tage durch Schweden bummeln … aber darüber schreiben die Festlandreisende schon …

 

Juni 2007

Charter: www.gotakanal.se